Eva Weber: „Die Städte stehen an einem Wendepunkt“

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Vor welchen Zukunftsaufgaben stehen die Städte? „Städte sind sowohl treibende Kraft als auch gezwungene Akteure bei gesellschaftlichen Transformationsprozessen“, sagt Eva Weber. Die Oberbürgermeisterin von Augsburg spricht bei der F.A.Z.-Konferenz Stadt von morgen am 20. und 21. November in Berlin. Im Interview mit #stadtvonmorgen beschreibt sie hier die wichtige Rolle von Städten in zukunftsweisenden Transformationsprozessen und, welche Hürden sich ihnen dabei stellen.

Eva Weber: Städte müssen eine Balance schaffen

#stadtvonmorgen: Frau Weber, worin sehen Sie die größten Herausforderungen, die auf Städte in der Zukunft zukommen?

Eva Weber: Die Städte stehen schon heute an einem Wendepunkt. Auf der einen Seite haben wir den stetigen Trend zur Urbanisierung, was bedeutet, dass immer mehr Menschen in die Städte ziehen. Damit steigt der Druck auf Wohnraum, Infrastruktur und Ressourcen. Parallel dazu steht der Klimawandel – Städte verursachen rund 70 Prozent der globalen CO2-Emissionen. Also: Klimaschutz ist keine Option mehr, sondern eine Notwendigkeit. Und dann kommt noch der technologische Fortschritt hinzu. Wenn wir all das zusammennehmen, müssen Städte sich zwangsläufig weiterentwickeln, um eine Balance zwischen wirtschaftlichem Wachstum, Umweltschutz und Lebensqualität zu schaffen. Städte sollten also zu „Smart Cities“ werden, die mit Technologien wie KI und erneuerbaren Energien intelligentere, effizientere Infrastrukturen schaffen und das Leben der Bürger erleichtern. Doch auch der gesellschaftliche Wandel ist ein Thema: Die Bevölkerung wird immer vielfältiger, und es wird wichtiger, integrative und gerechte Städte zu bauen, in denen alle Menschen sich zuhause fühlen.

Zwischen Zukunftsaufgaben und externen Krisen

#stadtvonmorgen: Welches sind dabei mit Blick auf Ihre Stadt die größten Hindernisse bei der Bewältigung der Zukunftsaufgaben?

Eva Weber: Auch Augsburg steht hier vor großen Herausforderungen. Der gesellschaftliche Wandel bringt neue Ansprüche an Städtebau und Wirtschaft mit sich. Und dann gibt es noch die externen Krisen wie die Coronapandemie, den Krieg in der Ukraine oder die Konflikte im Nahen Osten, die die Lage zusätzlich verkomplizieren. All das hat verschiedene Auswirkungen, auch finanzielle, und die Zukunftsprojekte, die wir brauchen – wie nachhaltige Stadtentwicklung oder neue Technologien – sind oft teuer. Da sind wir in Augsburg, wie eigentlich auch alle anderen Städte, auf Unterstützung von Bund und Land angewiesen. Ein weiteres großes Thema ist die Bürokratie. Selbst wenn bundesweit ein Bürokratieabbau angestrebt wird, bleiben Abläufe oft recht starr und unflexibel – das erschwert schnelle Anpassungen und Veränderungen. Und dann ist da noch die Frage der Bürgerbeteiligung: Menschen stehen Veränderungen, gerade wenn neue Technologien ins Spiel kommen, oft skeptisch gegenüber. Hier müssen wir Vertrauen aufbauen und für Transparenz sorgen, damit langfristige Projekte erfolgreich umgesetzt werden können.

Nachhaltig und innovativ: die „kooperative Stadt“

#stadtvonmorgen: Welche Hebel sollten Städte ansetzen, um ihre Zukunft erfolgreich zu gestalten?

Eva Weber: Da gibt es einige zentrale Punkte. Wir brauchen einen starken Fokus auf Innovation und Technologie. Zukunftstechnologien wie Künstliche Intelligenz, Wasserstoff oder klimafreundliche Wirtschaftsmodelle sind enorm wichtig für Augsburg. Kooperationen mit Wirtschaft und Forschungseinrichtungen sind ebenfalls entscheidend, weil der Wandel nur im Team funktioniert. Augsburg verfolgt hier das Leitbild der „Kooperativen Stadt“ – wir arbeiten eng mit verschiedenen Akteuren zusammen, um die Stadt nachhaltig und innovativ weiterzuentwickeln. Kontinuität und Anpassungsfähigkeit sind aber genauso wichtig: Städte sind quasi lebendige Organismen und müssen sich ständig weiterentwickeln. Gute Beispiele sind Initiativen wie der „Blue City – Klimapakt Augsburger Wirtschaft“, wo wir mit unterschiedlichsten Playern aus Verwaltung und Wirtschaft gemeinsam an der Erreichung der städtischen Klimaschutzziele arbeiten.

Treibende Kräfte und gezwungene Akteure

#stadtvonmorgen: Welche Rolle spielen Städte in großen gesellschaftlichen Veränderungen?

Eva Weber: Stadt ist nie fertig. Deswegen sind Städte tatsächlich oft die ersten, die mit gesellschaftlichen Veränderungen in Berührung kommen, und damit auch die ersten, die Lösungen dafür entwickeln müssen. Durch die hohe Bevölkerungsdichte und den engen Austausch mit Wirtschaft und Forschung können Städte als „Reallabore“ für Innovationen fungieren. In Städten können neue Ideen schneller getestet und umgesetzt werden, weil viele Akteure zusammenkommen und es eine dynamische Struktur gibt. Städte bringen auch eine kulturelle und soziale Vielfalt mit, die neue Perspektiven und damit auch innovative Lösungen hervorbringen kann. Städte setzen nationale und internationale Politik direkt um, zum Beispiel durch nachhaltige Stadtentwicklungsprojekte oder Maßnahmen zur intelligenten Verknüpfung von Mobilitätsangeboten. Das hat direkte Auswirkungen auf das Leben der Menschen, und die Akzeptanz für solche Maßnahmen steigt deutlich, wenn es Partizipationsmöglichkeiten und transparente Prozesse gibt. Zusammengefasst sind Städte also sowohl treibende Kraft als auch „gezwungene Akteure“ bei gesellschaftlichen Transformationsprozessen – sie werden als erstes mit Veränderungen konfrontiert und entwickeln deswegen oft auch die ersten Lösungen.

Info

Eva Weber spricht bei der F.A.Z.-Konferenz am 20. und 21. November in Berlin. Die Konferenz beleuchtet aktuelle Fragestellungen der urbanen Transformation. Weitere Infos zum Programm und Anmeldungen hier.

Andreas Erb ist Redakteur im Public Sector des F.A.Z.-Fachverlags. Für die Plattform #stadtvonmorgen berichtet er über urbane Transformationsprozesse, die Stadtgesellschaft und die internationale Perspektive der Stadt. Seit 1998 ist der Kulturwissenschaftler als Journalist und Autor in verschiedenen Funktionen tätig, seit 2017 als Redakteur im F.A.Z.-Fachverlag.